Dienstag, 10. April 2012

Allein in Perth. Also fast.

Für die Pappnasen, die all ihre Informationen aus diesem Blog ziehen folgt nun die Blitznachricht: Charly hat bereits vor einem guten Monat das Hostel verlassen. Im Gegensatz zu mir bekam sie keinen guten neuen Job und wollte Manjimup verlassen, während ich mich dort noch sehr wohl fühlte und außerdem einen super Job hatte.



Gut. Nach 125 Tagen Lagerleben habe ich mich also endlich aufgerafft. Adieu Manjimup, der einzige (oder einzigste, extra für Arik! Ja, ich verfolge deinen Blog.) Ort in Australien, den ich guten Gewissens "zu Hause" nennen kann.

Da ich (wir...) an einem Sonntag in Manjimup ankamen, miete jedoch immer am Donnerstag fällig war, beschloss ich aus Einfachheitshalber an einem Sonntag abzureisen, um keine einzelnen Tage zahlen zu müssen. Eigentlich wollte ich bereits am 1. April abreisen, doch aus verschiedenen Gründen habe ich mich dagegen Entschieden. Irgendwie kam es mir komisch vor mit Hadi, dem französischen Algerier (algerischen Franzosen? eher das!), zusammen abzureisen. "What happens in Vegas, äh, Manjimup, stays in Manjimup!" Irgendwie brauchte ich für mich auch mehr als drei Tage um mich von diesem Ort loszueisen. (Nicht wundern, shift spinnt!) Ein weiterer Grund: Ich hatte bereits die 20 Dollar für die Party am nächsten Samstag bezahlt. Und außerdem aus Reflex am Donnerstag die Miete bezahlt. Aber am meisten war es die Angst. Ich wollte das Unvermeidliche einfach möglichst lange hinauszögern: Das alleine Sein. Mein ganzes Leben lang war ich von Freunden und/ oder Bekannten umgeben, in den letzten Monaten hatte ich immer noch Charly an meiner Seite. Doch die ist jetzt auch tausende Kilometer von mir entfernt.

Im Hostel hatten alle nur aufmunternde Worte für mich à la: "Alleine ist es eh viel besser!" "Du bist frei, musst dich mit niemandem einigen!" "Man lernt doch eh immer neue Leute kennen!" "Ich habe es auch geschafft!"
Ich konnte jedoch alle ziemlich leicht mit einem Argument verstummen lassen. "Leute, ich bin 19." Darauf hörte ich dann nur noch: "Oh man, also ich in deinem Alter..." "Ich war da noch gar nicht reif für sowas!" "Da hab' ich noch Windeln gebraucht!" "In deinem Alter tri-lingual und ich kann gerade mal englisch. Und selbst das kannst du besser als ich!" "Wäre ich du, ich wäre verdammt stolz auf das, was du schon geschafft hast in deinem Alter." Was mir allerdings auch wieder Mut machte. Ich schaff' das schon. Irgendwie.

Ich musste nicht weinen, als ich Manjimup verließ. Mir wurden viele liebe Worte mit auf den Weg gegeben, von manchen mehr dahergesagt (man verabschiedet sich einfach von zu vielen Menschen hier in Australien) von anderen mit einer Eindringlichkeit vorgebracht, die mich Schlucken ließ.

Und so kam es, dass ich meinen Bus/Zug für Sonntag, den 8.4. buchte, sowie im Internet ein Hostelzimmer reservierte, das ich im Voraus bezahlen musste. Die haben hier einfach zu viel Angst, dass die Gäste sonst nicht aufkreuzen. An diesem Tag wollten auch zwei Franzosen abreisen, sowie Jana, die fünfte, bzw. nach Charlys Abreise vierte Deutsche, da sie mit einem der Beiden liiert ist(was für ein schönes, wenn auch zu starkes Wort). Klara und Sima wollten am Montag folgen. So saß ich also am Sonntag morgens im Bus und versuchte meinen Kater zu ignorieren. Mein zweiter in vier Monaten. Also eine recht gute Billanz. Die Party am Samstag, bei der für Boxen und Nebelscheinwerfer, sowie Alkohol gesorgt worden war, verlief für mich nicht ganz wie geplant. Ich kann mir nicht erklären, wie es dazu kam, aber dank meiner Freundlichen Mitbewohner (neiiiin, gaaaar keine Ironie!!!) gibt es genügend Beweisbilder.

So kamen wir also zu viert in Perth an, die drei anderen mit Sack und Pack auf ihrem Rücken, ich mit meinem Koffer, Umhängetasche und meinem Kopfkissen-Affen. Also einem Affen, den man zum Kopfkissen aufklappen kann. Mein Pillowpet. <3 Und hier kommt etwas, was Charly diebisch freuen wird: Als die drei Anderen zielstrebig auf die große, gewundene Treppe zusteuerten, blieb ich stehen und meinte "Seriously?" Sie hatten bereits die halbe Treppe hinter sich, als sie sich zu mir umdrehten und mit den Augen rollten. Christoff kam zurück und wollte mir helfen, mutig drückte ich ihm nur meinen unhandlichen Affen in die Hand und wuchtete die locker 40 kg drei Stufen hoch, ehe mich der Mut verließ. Also gab ich mich geschlagen, sah eine breit grinsende Charly vor mir und ergab mich meinem Schicksal: Ich ließ mir beim Koffertragen helfen. Was für eine düstere Stunde.

Als wir den Bahnhof verließen, stand dort Hadi, um uns abzuholen. Küsschen rechts, Küsschen links, was mich kurz um Fassung ringen ließ. Es stellte sich heraus, dass Matthieu ihm alles vom letzten Abend erzählt hatte, obwohl ich ihn ausdrücklich gebeten hatte, es nicht zu tun. Ich wollte es selbst tun, doch nun war der Schaden anscheinend angerichtet. Doch das erste, was er zu mir sagte, als wir uns etwas zurückfallen ließen, zeigte, dass er die "Nachrichten" nicht allzu schwer zu nehmen schien: "Ich dachte, du würdest den häßlichen Affen in Manjimup lassen." Niemals. Ich liebe ihn. Ganz abgesehen davon, dass ich seinetwegen keine ekligen Hostelkissen benutzen muss.

Das Hostel in dem wir sind liegt recht zentral, direkt zwischen Dominos und Coles, für diejenigen, die sich hier auskennen. Allerdings riecht es in der Eingangshalle recht muffig, und der deutsche Besitzer macht uns alle Ehre, indem er jeden Tag mit Socken in den Sandalen herumläuft. Die Sanitäranlagen würde ich als "zwecksmäßig und recht sauber" beschreiben. Dass die Duschen jedoch nur mit einem Duschvorhang von dem Toilettenraum getrennt sind und man keine Ablage hat ist doch recht unpraktisch, vorallem wenn man wie ich eine "ich will nichts berühren" Einstellung hat. Beim Einchecken wurde mir erst einmal mitgeteilt, dass bei meiner Buchung ein Fehler aufgetreten war, was mir alle meine Gesichtszüge entgleiten lies. Das sah die Rezeptionistin und beruhigte mich: Statt eines 6er Doorms war ich nun in einem 3-er. Gut. Als ich den Raum betrat, begrüßten mich ein Stockbett links und ein Einzelbett rechts, sowie vier Wände, die die Betten doch recht knapp umrissen. Die beiden Unteren Betten waren natürlich shcon vergeben, das Stockbett so hoch, wie noch keines, das ich je gesehen hatte. Der linke Mitbewohner hatte alle seine Taschen ans Bett geketten, was mich doch sehr an der Sicherheit des Hostels zweifeln lies.

Kurz darauf zogen wir fünf ab zu Hungry Jacks. Also BurgerKing. Heißt hier nur anders, da Burger King Hungry Jacks aufgekauft hat, die Australier aber den Namen Hungry Jacky mehr akzeptiert haben. Als wir endlich dort ankamen fiel mir ein, dass wir einen McDonalds eine Straße von unserem Hostel entfernt haben. Ich erfuhr, dass das Toffs Schuld sei, da er unbedingt zu Hungry Jacks wollte. Anschließend machten wir uns auf die Suche nach einem Bottleshop. Die ersten beiden waren geschlossen, weshalb wir uns entschließen zum größeren, jedoch auch weiter entfernteren zu Laufen. Als wir nach gefühlten Ewigkeiten dort ankamen, (wir waren alle müde von der Reise), stellten wir fest, dass auch dieser Laden geschlossen hatte. Ostersonntag. Juhu. Also machten wir uns auf den Rückweg, hielten jedoch in einer Bar, da wir die Pooltische von draußen sahen. Nachdem wir nach den Bierpreisen gefragt hatten, beschlossen wir zu bleiben. Es wurden drei Jugs bestellt (je 1700ml), außerdem wurden wir darauf hingewiesen, dass die Kugeln noch auf dem Tisch lagen und wir gerne das erste Spiel umsonst spielen könnten. Das ließen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen. Oh, wie gut sich doch ein guter Pooltisch anfühlt! Zärtlich streichelte ich über die glatte, löcherlose, unglaublich weiche Oberfläche, nahezu demütig nahm ich den Queue in die Hand. Es war ein überwältigendes Gefühl, auf einem guten Tisch zu spielen, nachdem man vier Monate auf einem Semi-guten Tisch gespielt hatte. Das klingt vielleicht alles echt kitschig für euch, ich war jedoch komplett euphorisch. Irgendwann stand plötzlich ein Aborigine neben uns und fragte betrunken nach einem "Bier to go", was Australien jedoch nicht legal ist. Als ihn die Bardame darauf hingewiesen hatte, fragte er uns nach Zigaretten. Hadi war so nett, ihm etwas Tabak, einen Filter und ein Paper zu geben, da er dachte, dass er dann ginge. Pustekuchen. Er bedankte sich bestimmt tausend Mal und präsentierte uns seine Französischkünste, die mich ehrlich gesagt überraschten. Nach fünf Minuten geleiteten ihn die Türsteher dann hinaus, woraufhin der Manager persönlich zu unserem Tisch kam und sich entschuldigte. Wir hätten mal ein extra Bier verlangen sollen... Nachdem wir wieder im Hostel angelangt waren erfreute ich mich noch etwas länger am kostenlosen Internet. Ich saß in einer Runde voller Franzosen, als mein Blick auf einen von ihnen fiel, der mich anstarrte. Ich runzelte die Stirn, dann riss ich die Augen auf. Auch er ignorierte nun die Gespräche und rief: "Ja, du kommst mir auch bekannt vor! Lass uns nachdenken, wo warst du schon überall?" Doch ich schaute ihn nur an und wusste, woher ich ihn kannte: Wir hatten damals, vor fast acht Monaten ein Zimmer in Byron Bay geteilt. Er erinnerte sich sogar an Skippy. Australien ist kein Kontinent, sondern ein Dorf! Gegen 12 ging ich dann ins Bett. Meine Mitbewohner waren irgendwie komisch. Ich kann nicht erklären warum, doch ich fühlte mich kein bisschen wohl. Abgesehen vom Internet und dem Billiardtisch fand ich alles doof. Ich wollte zurück nach Manjimup. "Heimweh."

Am nächsten morgen sah die Welt irgendwie anders aus. Freundlicher. Ich zog mich an, verschloss meine Sachen und machte mich auf ins Stadtzentrum. Alleine. Das einzige Mal, dass ich das getan hatte, war, als ich mich aus dem Hostel gestohlen hatte, während Charly schlief, um ihr Geschenk zu besorgen. Mein erstes Ziel auf meiner Liste war Coles. Dort stellte ich schockiert fest, dass sie mein Wallnuss-Rosinen-Brot nicht im Angebot führen. Ich war enttäuscht, fand aber daraufhin meinen Dip, den es in Manjimup im Coles nicht gab. So verließ ich den Laden also mit Dip, Baguette und einer Flasche Wasser, sowie $30 Handyguthaben. Als ich mich vor das Museum setzte, merkte ich es ganz deutlich. Etwas fehlt. Jemand. Charly. Alles was ich sah, erinnerte mich an sie. Der Weg zu Coles. Die Ampel. Das Gebäude von Intunes. Die Bäume. Die Statue. Der Koffeshop, in dem wir uns bewerben wollten, das Glockenspiel. Das alles innerhalb von zwei Straßen. Und dann wollte mein Handy das Guthaben nicht akzeptieren. Als es dann endlich doch klappte atmete ich tief durch und machte mich auf den Weg. Von da an sollte alles besser werden. Die Ampel, die ich überqueren wollte sprang direkt vor mir auf rot, wodurch ich durch Zufall in die richtige Richtung gelenkt wurde, ich wäre falsch gelaufen. Als ich bei Myers ankam, (was mich auch an Charly erinnerte, eigentlich erinnerte mich die ganze Stadt an sie!) stellte ich fest, dass es erst in 40 Minuten öffnete. Verflucht seid ihr, ihr Osteröffnungszeiten!Also trugen mich meien Füße in einen Schuhladen. Dazu muss gesagt sein: Mein einziges Paar Schuhe, das noch lebte, waren meine Arbeitsschuhe. Ich hatte bereits zwei Paar FlipFlops zerstört, zwei Paar Halbschuhe, sowie meine Ballerinas, von denen sich die Sohle löste. Also machte ich mich auf die suche nach schlichten schwarzen Ballerinas. Der Laden war voller Synthetikschuhe. Sie waren überall. Sie waren unbequem. Sie waren zu groß. Sie waren zu klein. Plötzlich stieß ich auf ein Paar Ballerinas, das schlichter nicht sein konnte. Schwar, mit einer einfachen Schleife. Eigentlich zu langweilig, doch es war ein Lederschuh. Ein echter 100%iger Lederschuh. Fassungslos sah ich ihn an, das letzte Paar seiner Art, meine Größe, von $90 auf $60 reduziert. Eigentlich viel zu teuer für meinen geschmack, doch ich musste an Mama denken, dir mir immer predigte, keine Synthetikschuhe zu kaufen. Also nahm ich sie. Ich hoffe, Mama ist stolz auf mich.

Ich hatte noch zehn Minuten bis Myers (so eine Art Galeria Kaufhof) öffnete, weshalb ich mich davor auf eine Bank saß. Plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen rufen, was mich komplett überraschte. So etwas passiert nämlich nicht oft, wenn man Alexa heißt. Und tatsächlich: Ich war gemeint. Es war ein Niederländer aus meinem alten Workinghostel, mit dem ich innerhalb der zehn Minuten unsere Erfahrungen austauschte. Im Laden dann fragte ich nach einem Adapter, woraufhin mir sofort zwei Modelle gezeigt wurden. Endlich. In ganz Manjimup konnte man nämlich keinen auftreiben, stellt euch das einmal vor. Ich entschied mich für das günstigere Modell, da es handlicher war und weniger Platz an einer Steckerleiste wegnahm. An der Kasse teilte mir der Verkäufer dann überrascht mit, dass er sogar reduziert war. Genau in der gleichen Sekunde sagten wir dann: "Heute ist dein/ mein Glückstag!", woraufhin wir beide grinsen mussten. "Ja, hoffentlich stimmt das", dachte ich auf dem Weg zurück ins Hostel.

Dort wurde mir mitgeteilt, dass ich umziehen müsste, in ein Achterzimmer. Hörte sich an wie schlechte Nachrichten, erwies sich jedoch als das Gegenteil. Der Raum ist groß, außerdem sind wir nur vier Leute. Das heißt, dass ich unten schlafen kann. Herrlich. Dort fühlte ich mich gleich viel wohler.

Später am Tag fuhren wir zusammen zum Strand. Da war es: Das Meer. In dem Moment wurde mir erst bewusst, wie sehr ich es vermisst hatte. Der Geruch nach Meer ist auf der Ganzen Welt der gleiche. SO stand ich also da, schloss die Augen und stellte mir vor, neben Mama und Uwe am Strand von Borkum zu stehen.

Als wir ins Hostel zurückkehrten waren Klara und Sima schon da. Und es fühlt sich verdammt komisch an, diese Leute außerhalb von Manjimup zu sehen. Als hätte man sie ausgeschnitten und wo anders wieder eingeklebt. Klingt komisch, ist aber so.

Gut. Ich blicke also recht positiv in die Zukunft. Ich habe zwar keinen Plan, was ich machen möchte, doch ich setze mich jetzt erstmal hin und schaue mir Studiengänge an. Muss ich mich schließlich auch endlich mal drum kümmern. Wenn ihr das alles durchgelesen habt, zusammen mit den anderen Einträgen, dann habt ihr echt Durchhaltevermögen bewiesen. Herzlichen Glückwunsch!


Perth ist schön. Nur noch mal so nebenbei erwähnt.

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